Vergessene Komponisten: Lieder-Matinée
So. 6. April 2025 | 11:30 Uhr
Kammermusik und Lieder mit Werken von Otto Martin (1887–1967).
Ausführende: Gregor van den Boom & Ensemble
Otto Martin stammte ursprünglich aus Straßburg. Dort wurde er 1887 unter dem Namen Martin Otto Meyer geboren. Nach seinem Schulabschluss begann er ein Privatstudium in Frankfurt und besuchte anschließend von 1913 bis 1916 das Konservatorium in Köln. Schon früh wurde er als Komponist von Liedern bekannt. Er veranstaltete in Frankfurt, Worms und Dortmund Liederabende und veröffentlichte auch mehrere Lieder in einem Kölner Musikverlag. 1918 wurde er stellvertretender Direktor des Holtschneider Konservatoriums zu Dortmund. Ab 1919 leitete er das Holtschneider Konservatorium in Hörde. Unter seiner Leitung versechsfachte sich die Anzahl der Schüler innerhalb eines Jahres.
Schließlich gründete Martin ein eigenes Musikinstitut in Lünen: Im Februar 1922 eröffnete die private „Lüner Musikschule“ in den Räumen des Realgymnasiums (später Freiherr-vom-Stein-Gymnasium). Die Musikschule war schnell erfolgreich: Otto Martin war nicht nur äußerst engagiert, er war bei seinen Schülern auch sehr beliebt. Bereits 1926 wurde Martin von zwei Fachlehrern unterstützt. Doch die Inflation und der allgemeine wirtschaftliche Niedergang führten dazu, dass die Stadt die Schule nicht weiter finanziell unterstützen konnte. Otto Martin musste schließlich neben dem laufenden Geschäft täglich acht bis zehn Stunden selbst unterrichten. 1931 zog die Musikschule in die evangelische Stadtschule um, da die Räumlichkeiten des Realgymnasiums zu klein geworden waren. Im selben Jahr wurde Otto Martins Symphonie in e-Moll im Stadttheater Bochum uraufgeführt.
Trotz seiner großen Beliebtheit bei seinen Schülern und seiner künstlerischen Erfolge begann mit der nationalsozialistischen Herrschaft der unaufhaltsame Niedergang von Otto Martins Musikschule. Die ehemalige Schülerin Isolde Quitmann erinnert sich, dass Otto Martin und seine Frau es immer verstanden haben, Jugendliche zu begeistern. 1936 habe Quitmann dann von Martins jüdischer Abstammung erfahren. Von diesem Zeitpunkt an durfte sie keinen Unterricht mehr nehmen.
Nicht nur die Schülerzahl sank, auch Martins Kompositionen wurden nicht mehr verkauft oder aufgeführt. Schließlich durfte Martin ab 1936 nur noch jüdische „Mischlinge“ unterrichten, da er kein Mitglied der Reichsmusikkammer war. Zwei Jahre lang versuchte das Ehepaar, die Musikschule weiterzuführen, 1938 gaben sie schließlich auf.
Das Ehepaar sah nicht nur seine berufliche Existenz zerstört, sondern erkannte auch die Gefahr für sein Leben und floh im Dezember 1938 zu Bekannten nach Straßburg. Dort saß Otto Martin in verschiedenen Internierungslagern. Diese Internierungslager wurden ab November 1938 genutzt, „unerwünschte Ausländer“ zu sammeln. Darunter fanden sich viele Juden, die vor dem Nazi-Regime geflohen waren, um von dort in die Vernichtungslager deportiert zu werden. Mit Hilfe seines Freundes Fritz Münch, einem Dirigenten aus Straßburg, aber auch dank der Fürsprache Albert Schweitzers überlebte Otto Martin den Krieg und den NS-Terror.
Otto Martin stellte einen Antrag, um als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung anerkannt zu werden. 1954 erhielt Martin einen positiven Bescheid und hatte damit Anspruch auf Entschädigung. Seinen Lebensabend verbrachte der Komponist und Musikpädagoge in einem Altersheim in Kirchzarten. Dort starb er 1967 – kurz nachdem er Lünen noch einmal besucht hatte. Hier wurde im Heinz-Hilpert-Theater seine Symphonie aufgeführt.
Quelle: Verwischte Spuren